Gänseballett
kleine Etüde: noch nicht ganz Gans
28.05.25
ein Schwarm Graugänse
hübsch und geschwätzig
grasen sie, stinkend, ihren Weg
mit Gänsekot verzierend.
die Küken verlieren ihren Flaum
darunter ragen erwachsene Federn
mit definierter Zeichnung hervor
Pubertiere, noch nicht ganz Gans.
alle schnattern und picken
hochkonzentriert und hingebungsvoll
ab und zu krächzt eine ein Kommando auf gänsisch
dann drehen sie sich und laufen synchronisiert
wie ferngesteuert in die andere Richtung
über den Weg auf die Wiese
von der Wiese über den Weg zum Teich
und wieder über den Weg
zur Wiese usw usf.
auf dem Kies werden die Füße
etwas vorsichtiger gesetzt
unablässig schnattert es weiter
der Schwarm zerstreut und sammelt
und formiert sich in perpetuum
einzeln aber gemeinsam
jede so anwesend wie selbstvergessen
einer geheimen Choreografie folgend
dem Gänseflow
eine nähert sich
neugierig und eitel
wirft sie sich in die Brust
ein Bild von einer Gans
vollkommene Aufrichtung bei
stabil tiefergelegtem Schwerpunkt
stolziert einmal nach links
einmal nach rechts
Standbein Spielbein
et: troisième position! Levé!
das rechte Bein leicht angehoben
ein schwebender Moment
macht sie den Abflug?
..sie dreht ab und pickt weiter
sie haben mir eine Lektion erteilt.
was sicher nicht ihre Absicht war
oder vielleicht doch
wer weiß das schon.
Mai geboren
22.05.2025
für Maggy
im Mai wurde ich
ins Blühen hineingeboren.
wieder ein Primzahljahr
wer nur durch 1
und sich selbst teilbar ist
hat reichlich Eigensinn
wer wurde da geboren
gebärt sich noch etwas ?
in mir die Erinnerung
wie porös und offenherzig
ich auf die Welt kam
schreckhaft aber bereit
mich ins Abenteuer zu stürzen
alles aufzusaugen
ich nicht viel mehr als
eine atmende Membran
die Kiemen noch nicht verwachsen
ungehindert ungefiltert strömte
Welt
auf mich ein
die Berührbarkeit ist noch da
an den Lungenspitzen sitzt sie
wartet auf einen tiefen Atemzug
in der Früh fröstelt es
die Eisheiligen drohen und segnen
hellgrüne Tannenspitzen
Tau auf den gerade erblühten Rosen
die über den Stock hinauswachsen
unverdrossen die Gänseblümchen
Löwenzähne, der Klee,
Marg(u)eriten, Butterblumen
und Wiesensalbei
einfach weiterwachsen
und blühen flüstern sie mir zu
wie macht ihr das?
wispere ich zurück
wir wissen es nicht.
kommt die Antwort leise singend
du könntest die Elfen fragen.
verstehen wirst du es nicht
sie sprechen kein zweiflisch.
Schwerkraft
für Heide
8.Mai 2025
hell und kühl, blaugrün
ein Frühlingstag
wie zu früh ergraute Waisenkinder
sammeln wir uns um dein Grab.
vom Gottesacker geht ein weiter Blick
ins Tal
der Himmel steht dir offen.
Nach dem Segen langsam anschwellendes Gemurmel
als wir vorgerückt sind
streue ich eine Handvoll Erde und Blüten
sachte über das kleine Loch für die Urne
möge die Erde Dir leicht sein
ob dort wo Du jetzt bist
die Schwerkraft gilt?
mir scheint, du bist ganz froh
auf der anderen Seite
du würdest sagen, das Gschiss
das man hier um Dich macht
ist dir nicht recht.
im Gasthaus danach wird schon wieder gelacht, sogar gesungen,
beim Essen langen wir zu
ein bisschen Schwerkraft muss sein
um die Balance zu halten.
wenn der Wind seinen Sinn sucht
ist das Rauschen der Sinn*
hinter dem Horizont
sind alle weitergegangen.
mit jedem Toten mehr
verstehe ich weniger
nur, daß es ums leben geht
was ein Geheimnis bleibt
ein immer größeres Staunen wird:
unser Kommen und Gehen.
(*David Rokeah)
Landregen
25.04.2025
Die Luft ist frisch gewaschen, der lang ersehnte Regen über Nacht endlich gefallen. Zunächst nur zaghaft und spärlich, in der zweiten Nacht ergiebig. Wie Murmeln sitzen dicke Tropfen auf den nagelneuen Blättern der Funkie.
Nach dem Winter völlig ohne mein Zutun wieder aus ihrem Topf aufgetaucht, hat sie sich entfaltet und ihre Blätter aufgespannt. Verlangen und Erfüllung zugleich, halten sie nun die Regentropfen wie etwas Kostbares.
Alles atmet tiefer und weiter. Die kleinen weissen Blüten des Kastanienbaums schaukeln prall und fröhlich, die Kiefer, der Haselbusch, die Buche stehen aufrechter, dehnen sich nach allen Seiten, füllen sich auf.
Beim Gang über den Waldboden vor wenigen Tagen war zu warme Luft an meinen Beinen aufgestiegen. Wüstenwind ohne Wüste, braune Tannennadeln und trockenes Reisig aufwehend.
Vor den aggressiver werdenden Blüten und der unterschwelligen Wut war ich ins abgedunkelte Zimmer geflohen. Wie eine Witwe hinter schwarzen Gläsern, verlassen und bestraft, ging ich nur mit Sonnenbrille aus, atmete flach. Das Erblühen hatte ich ersehnt und gefeiert, jetzt schien es zurückzuschlagen, reizte und schwächte mich.
In immer feineren Fäden fällt der Regen immer noch sanft. Frisch und kühl hat seine Feuchtigkeit alle Anspannung in sich aufgesogen, sie in ein Empfangen und Halten verwandelt. Auch meine Atemzüge werden unwillkürlich tiefer.
Während ich die Kiefer bis in ihre Spitzen betrachte, sinkt die feuchte Luft in meine Lungenflügel, weitet die immer feiner werdenden Verästelungen der Bronchien, wie in einem Röntgenbild sehe ich ihr Geflecht.
Ich bin der Baum, der Baum atmet mich. Sanft fällt der Regen weiter, hört nicht auf, meine innere Dürre zu benetzen. Köstlicher Landregen. Köstlich, zu atmen.
Auf dem Rosenstock haben sich kleine und kleinere Tropfen nebeneinander abgesetzt und bedecken die oberen Blätter ganz. Noch sind keine Blüten da, die der Regen zerrupfen kann. Barfuß gehe ich über die Wiese und begrüße den Tag.
28.02.25
februar
feber
fieber
so bad you don't give me fever
but chills
driven by purpose 7.03.2025
Tod kam vorbeigeschlendert, ganz entspannt. Er hob die Hand zum Gruß und rief über den Zaun: wollte nur mal vorbeischauen, ob alles in Ordnung ist? Ich schaute ihn irritiert an und dachte: was will der denn hier? I came to set your priorities straight antwortete er, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. Und warum sprichst Du englisch mit mir? gab ich zurück. Weil's cooler ist?
Er nahm seine Fluppe aus dem Mundwinkel und nuschelte klingt nicht so geschwollen, ausserdem kürzer. Ich habs schon hinter mir. No more need to fuzz around. Darüber musste ich nachdenken. Wie schreibt man fuss..fuzz? Genau das ist Dein Problem, daß Du immer alles richtig machen willst. Das hier ist keine verdammte Generalprobe, es ist dein Leben.
Ich fand Tod ganz schön aufgeblasen. Dieses Antworten auf Fragen, die ich ihm nicht gestellt hatte. Was kann ich für Dich tun? drehte ich den Spieß rum. Nichts. I don't hold stakes in your life. Mach was draus, carpe diem.
Hey rief ich jetzt über den Zaun, solche Weisheiten stehen auf jedem Yogi-Teebeutel. Wir sind hier schon überall von Sinn umzingelt, driven by purpose, you know? Macht ihr denn auf der anderen Seite noch was anderes? Außer darüber nachzudenken, was Ihr richtig oder falsch gemacht habt?
Erwischt. Existential philosophy ist noch das Aufregendste hier, seufzte er. Genau deswegen. Laß Dir nichts vormachen. Keiner weiß wirklich Bescheid. It's all noise. Alles Leben ist Probleme lösen und kämpfen gegen den Schmutz. Karl Popper. Wobei die zweite Satzhälfte mit Sicherheit von seiner Putzfrau stammt. Darf man das noch sagen, Putzfrau? Ich schätze mal, er konnte seine Bücher schreiben, weil er eine hatte.
Und dafür bist Du vorbeigekommen? Von einem Gespräch mit Tod hatte ich mir mehr erwartet. Das musst Du schon selbst herausfinden. Erwarte nicht zu viel, dann hast Du mehr, worüber Du staunen kannst, versetzte er im Weggehen. Wir sehen uns.
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